Der Arbeitersport in Buxtehude
Eng verbunden mit der Geschichte der Buxtehuder / Altklosteraner SPD muss die Entwicklung der Arbeiterkörperkultur gesehen werden; denn ihre Mitgliedschaft war weitgehend identisch.
Nach dem Fall des „Sozialistengesetzes“ 1890 erfuhr die Arbeiterkörperkultur im Deutschen Reich einen gewaltigen Aufschwung. 1892 schlossen sich mehrere brandenburgische Vereine zum „Märkischen Arbeitertunerbund“ zusammen. Dieser wurde im Mai 1893 in Gera zum „Arbeiter-Turnerbund Deutschland“ erweitert und 1897 in Leipzig in den „Arbeiter-Turnerbund“ (ATB) umbenannt. Zwei Jahre danach wurde der Tunergruß Frei Heil“ eingeführt und 1907 als Abzeichen ein Emblem mit zwei „F“ und einem „T“ sowie einem das Ganze umschlingenden „S“: Frisch, Frei, Fröhlich, Stark. Seit 1919 nannte sich der Bund dann „Arbeiter Turn- und Sportbund“ (ATSB). Daneben gab es weitere Arbeitersportverbände, die sich erst 1912 unter der „Zentralkommission für Arbeitersport- und Körperpflege“ (ZK) zusammenfanden. Dieser Dachorganisation gehörten am Ende der Weimarer Republik elf Fachverbände mit rund 1,3 Millionen Mitgliedern an.
Die Buxtehuder Arbeiter Turn- und Sportbewegung hat ihre Keimzelle in der durch Arbeiterschaft geprägten Gemeinde Altkloster. Die dort ansässigen Arbeitersportvereine hatten jedoch auch Mitglieder, die in Buxtehude wohnten. Vier Arbeiterturn- und Sportvereine entstanden zwischen 1895 und 1930/31 in Buxtehude. Der älteste ist der „Athletenclub Siegfried“. Er wurde am 14. Januar 1895 von 20 Arbeitern aus Altkloster und Buxtehude gegründet, die bis auf eine Ausnahme in der Papier-, Leder- und Zementfabrik beschäftigt waren. Von der Polizeibehörde wurde der Verein als „Club mit sozialdemokratischen, aber nicht anarchistischen Tendenzen“ eingestuft. Weitere Angaben können weder über die Aktivitäten des Clubs noch über die Dauer seines Bestehens gemacht werden.
Auch vom 1903 gegründeten Radfahrer-Verein „Wanderlust“ sind nur die Statuten erhalten. Er erscheint allerdings noch einmal in einer Anzeige des „Wochenblattes“ vom 23. Januar 1914, in der vom „Arbeiter- und Bildungsausschuss“ zu einem Sportabend ins Hotel „Stadt Hannover“ eingeladen wurde, an dem auch die „Freie Turnerschaft‘ und der Radfahrer-Verein „Wanderlust“ teilnehmen sollten.
Der Turnverein „Frei Heil“ Buxtehude/Altkloster (Freie Turnerschaft – FT) erscheint erstmals in einer „Wochenblatt“-Anzeige vom 3. Februar 1913, in der zu einer öffentlichen Maskerade eingeladen wurde. Drei Monate späterfeierte die „Freie Turnerschaff‘ ihr Stiftungsfest. (Da die FT 1922 das 10jähtige Bestehen feierte, muss sie 1912 gegründet sein). Über das Stiftungsfest berichtete das „Wochenblatt“ nicht. Jedoch erschien am 8. Mai 1914 ein Artikel, in dem es hieß, „Natürlich hat die Sozialdemokratie ihre Mannen gesondert gesammelt. Sie gründet Sportvereine aller Art, um die Genossen zu entdeutschen und von nationalen Einflüssen fernzuhalten, sie hat auch einen „Arbeiter-Turnerbund“ gegründet, der in 700 Vereinen etwa 35 000 Mitglieder gesammelt hat.
Nach dem 1. Weltkrieg und der sich unter Weimarer Verfassung wieder neu entfaltenden Arbeiterkörperkultur trat die FT im April 1920 wieder mit einem Schauturnen in Altkloster an die Öffentlichkeit. Ein Jahr später fand in Altkloster ein Reichsarbeitersporttag (RAST) statt. Daran nahmen 5000 Turner, Sänger, Radfahrer und Jugendbündner aus dem Unterelberaum teil. Bei diesem Fest wurden Turngeräte der Schulgemeinde Altkloster beschädigt, was dem Gemeinderat veranlasste, einen Zuschuss von 250 DM, den die Landesregierung an den Jugendpflegeausschuss der Gemeinde überwiesen hatte, zu beschlagnahmen. Im Mai 1930 feierte der Verein im Rahmen eines Turnfestes in der neuerbauten Turnhalle in Altkloster seine Fahnenweihe. Ausgetragen wurden neben dem Turnen auch leichtathletische Wettkämpfe sowie Fußball- und Handballspiele.
Nach der Selbstauflösung der „Zentralkommission“ im April 1933 und dem endgültigen Verbot des Arbeitersports im Mai des Jahres schlossen sich viele Mitglieder des Vereins dem TV „Gut Heil“ Altkloster an, wo sie u. a. die komplette Fußballmannschaft stellten. Noch einmal meldete sich am 24. Jan. 1935 ein ehemaliger Arbeitersportler, der Turner Hinrich Aldag, zu Wort, und zwar auf der „Außerordentlichen Generalversammlung des TV Gut Heil“ im Vereinslokal „Waldschloß“, in der es um die Zusammenlegung aller Buxtehuder Sportvereine ging. Entschieden trat er gegen die Zusammenlegung ein. Doch nach der Rede des Bürgermeisters Großheim am Ende einer lebhaft geführten Debatte erbrachte die Abstimmung 62 Ja-, 10 Neinstimmen und 1 Enthaltung. Damit war der Weg frei für die Gleichschaltung des Buxtehuder Sports unter dem Dach des neugegründeten und nach dem Führerprinzip organisierten VFL Buxtehude, in den der MTV Buxtehude, der TV „Gut Heil“ Altkloster und die „Spielvereinigung Buxtehude-Altkloster“ (ehemals „Sportclub Buxtehude“) aufgingen. Nach dem 2. Weltkrieg verzichteten die Buxtehuder Arbeitersportler darauf, ihre alten Vereinigungen wiederzugründen. Vielmehr setzten sich insbesondere K. Nobel und H. Aldag dafür ein, dass auch die ehemaligen Arbeitersportler ihren Beitrag zum Aufbau der neuen Sportvereine in Buxtehude leisteten: im BSV, der sich in der Tradition des MTV von 1852 sieht, und im TSV, der 1953 aus dem Anschluss des Vereins „Rasensport“ an den ebenfalls nach 1945 wiedergegründeten TV „Gut Heil‘ entstand. Wie in der SPD am Ende des 1. Weltkrieges kam es kurz danach auch zur Spaltung innerhalb des Arbeitersports. Bereits 1921 auf dem 1. Arbeitersportkongress in Jena wurde kontrovers um die Anpassung der Arbeitersportorganisationen an bürgerlich-politische Ideologien oder um eine proletarischrevolutionäre Auseinandersetzung mit dem Staat gestritten. Dieser Streit zog sich sowohl durch die internationalen Arbeitersportorganisationen als auch durch die Vereine. Auch in Buxtehude kam es 1930/31 zur Gründung einer „Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit“, über deren Sportbetrieb jedoch kein Material mehr vorliegt.